Kiel feiert Rekord-Derbysieg

21.03.2011 8:30
Das 66. Nord-Duell zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt am Sonntagnachmittag in der ausverkauften Sparkassen-Arena-Kiel geht als höchster Derbysieg in die lange Geschichte ein: Die "Zebras" siegten nach einer großartigen Leistung gegen den alten Rivalen deutlich mit 38:26. Nach furiosem Start der Kieler kämpften sich die Gäste bis zur Pause zwar wieder bis auf 14:16 heran, wurden nach dem Seitenwechsel aber vom spielfreudigen THW und seiner starken 3:2:1-Abwehr überrannt. Während Daniel Narcisse nach seiner langen Kreuzband-Verletzung ein furioses Comeback feierte, avancierten Christian Zeitz und Momir Ilic mit jeweils neun Treffern zu den besten Torschützen der Partie. Großartige Stimmung herrschte schon weit vor dem Anpfiff, zumal Alfred Gislason augenscheinlich nicht zuviel versprochen hatte: Daniel Narcisse machte sich erstmals seit seinem in der Vorbereitung im August 2010 zugezogenen Kreuzbandriss mit seinen Mannschaftskameraden zusammen warm und stand auch auf dem offiziellen Spielberichtsbogen. Weil dieser in der TOYOTA Handball-Bundesliga nur Platz für maximal 14 Spieler bietet, ließ Gislason zunächst einen frei - Rechtsaußen Tobias Reichmann und der nach einer Zerrung noch angeschlagene Welthandballer Filip Jicha nahmen daher zunächst einsatzbereit hinter dem Tor von Thierry Omeyer Platz. Doch auch die mitgereisten Flensburger Schlachtenbummler hatten Grund zur Freude, denn bei der SG stand gleichzeitig der in den letzten 13 Monaten von Verletzungen gebeutelte Kreisläufer Michael Knudsen seinerseits vor seinem Comeback. Vorweg: Der Däne wurde von Ljubomir Vranjes aber nicht eingesetzt. Der THW Kiel setzte in der ersten Halbzeit auf seine bewährte 6:0-Deckung mit Daniel Kubes und Momir Ilic im Mittelblock. Neben dem Serben starteten Aron Palmarsson und der zunächst nur im Angriff spielende Christian Zeitz im Kieler Rückraum, auf den Außen Henrik Lundström und Christian Sprenger, am Kreis Kapitän Marcus Ahlm und Thierry Omeyer im Tor. Und die Kieler Abwehr wirkte von Beginn an sattelfest, auch wenn Lasse Boesen die erste und einzige Gästeführung vorlegte. Ilic per Siebenmeter, Palmarsson mit seinem 50. Saisontreffer und auf der Gegenseite Heinl nach gutem Boesen-Anspiel legten zum 2:2 nach. Dann aber setzten die "Zebras" die ersten Nadelstiche des Derbys: Christian Zeitz hämmerte den Ball zum 3:2 an Dan Beutler vorbei, Omeyer parierte erstmals gegen Boesen und Momir Ilic erhöhte postwendend mit aller Wucht auf 4:2. Flensburg tat sich weiterhin schwer gegen die Kieler Deckung: Spielmacher Viktor Szilagyi versuchte vergeblich, das Zepter zu schwingen, die Würfe des Linkshänders Tamas Mocsai wurden reihenweise geblockt und auch der gut gestartete Lasse Boesen schien sein Pulver bereits verschossen zu haben. Obendrein kam auch noch Pech dazu, als der 16-Tore-Mann vom Dienstag, Linksaußen Anders Eggert, einen Aufsetzer an die Latte knallte. Die Kieler kannten kein Pardon: Christian Zeitz erhöhte mit einem 104km/h-Kracher auf 5:2 und legte nach einem Schrittfehler Mocsais unnachahmlich per Unterarmwurf zum 6:2 nach. Ljubomir Vranjes nahm zwar nun nach gerade einmal neun Spielminuten bereits seine Auszeit und beorderte zunächst Fahlgren und wenig später Petar Djordjic aufs Parkett, doch es änderte sich erst einmal nichts: Sprenger per Gegenstoß und Ahlm nach Zeitz-Zuspiel erhöhten gar auf 8:2, die Zuschauer in der Sparkassen-Arena-Kiel feierten ihre Mannschaft und übten gemeinsam mit Hein Daddel schon einmal das "Fliegerlied" für das bevorstehende Comeback von Daniel Narcisse. Doch so langsam fing sich Flensburg wieder, ein abgefälschter Wurf Mocsais brach den siebenminütigen Torbann, Svan Hansen legte zum 4:8 nach. Und nachdem Palmarsson mit 108km/h und Ilic wieder auf 10:4 erhöhten, schlichen sich im Kieler Aufbauspiel erste Unkonzentriertheiten ein. Mit drei Treffern in Folge bliesen Patrik Fahlgren und Anders Eggert allmählich zur Aufholjagd. Christian Sprenger verwertete am Kreis ein Palmarsson-Anspiel zum 11:7, und als der junge Isländer einen weiteren Wurf von Mocsai erfolgreich blockte, machte er in der 21. Spielminute unter großem Jubel der THW-Fans Platz für Daniel Narcisse. Der Franzose führte sich gleich grandios ein. Erst bediente er Momir Ilic am Kreis zum 12:7, dann zeigte er bei der zweiten Welle nach einem Flensburger Fehlpass, dass er schon wieder fast der Alte ist: Mit vollem Tempo raste er nach Zeitz-Anspiel auf das Flensburger Tor zu, hob ab und beförderte den Ball letztlich mit unglaublichen 110km/h zu seinem ersten Saisontor zum 13:8 in die Maschen. Narcisse riss jubelnd und befreit die Arme hoch, die 10.250 Zuschauer in der Sparkassen-Arena-Kiel ebenso. Doch obwohl Narcisse auf der Spielmacher-Position bereits die gewohnte Präsenz zeigte, robbten sich die Gäste ganz langsam an den THW heran. Protagonist der Aufholjagd war nun Petar Djordjic, der wurfgewaltige 20-Jährige markierte die Treffer acht bis elf für die SG. Und da die Flensburger nun jeden Fehler des THW konsequent bestraften, verkürzten der mittlerweile auf halbrechts spielende Boesen, Jacob Heinl per Gegenstoß und Tobias Karlsson vom Kreis bis zum Seitenwechsel gar auf 14:16. Trotz zeitweise begeisterndem Handball des THW Kiel konnten die Zuschauer also eine spannende zweite Halbzeit erwarten. Es sollte anders kommen. Denn Alfred Gislason hatte sich bereits Ende der ersten Halbzeit für den Einsatz von Filip Jicha entschieden und ihn auf dem Spielberichtsbogen nachgetragen. Der Tscheche durfte nach dem Seitenwechsel nun von Beginn an ran, auch Dominik Klein rückte in die Mannschaft. Der THW setzte nun auf seine offensive 3:2:1-Abwehr mit Jicha an der Spitze - und erteilte allen Flensburger Träumereien von einem Punktgewinn in der Sparkassen-Arena-Kiel in Rekordzeit eine Abfuhr. Ilic erhöhte zunächst per Siebenmeter auf 17:14, dann klaute sich Filip Jicha den Ball und versenkte den Gegenstoß selbst zum 18:14. Svan Hansen scheiterte anschließend aus spitzem Winkel und Zeitz legte zum 19:14 nach. Obwohl SG-Trainer Ljubomir Vranjes hastig Linkshänder Mocsai aufs Spielfeld zurück beorderte, fand seine Mannschaft kein Mittel mehr gegen das Kieler Bollwerk - auch und besonders Petar Djordjic nicht, der sich immer häufiger verrannte und am nun starken Thierry Omeyer scheiterte. Der französische Keeper bediente nach einer dieser Paraden Christian Sprenger zum 20:14, und als der gewohnt nervenstarke Ilic per Strafwurf und Jicha mit einem Dreher gar auf 22:14 erhöhten, war das Derby gerade einmal sechs Minuten nach Wiederanpfiff entschieden. Anders Eggert konnte Omeyer zwar wenig später erstmals nach dem Seitenwechsel überwinden, doch die Kieler waren längst in einem Spielrausch angekommen: Jicha mit seinem 150. Saisontreffer, Marcus Ahlm und zweimal Christian Zeitz trafen gar zum zwischenzeitlichen 27:16. Mittlerweile hatte der sichtlich angefressene Ljubomir Vranjes bereits seine Auszeit genommen: "Ich möchte hier nicht verarscht werden, ich will hier nicht mit mehr als 10 Toren verlieren", forderte der Schwede von seinen Spielern. Diese legten sich zwar fortan weiter ins Zeug und minimierten ihre Fehlerquote, gegen den spielfreudigen THW-Express konnten sie aber nicht entscheidend verkürzen. Die "Zebras" hatten längst den Schalter auf "Handballgala" umgelegt, im Angriff klappte nun fast alles. Sagenhaft der trockene Wurf von Christian Zeitz aus zehn Metern, der mit unglaublichen 115km/h zum 29:18 einschlug. Zum Mit-der-Zunge-Schnalzen das Anspiel des Linkshänders auf den zum Kreis auflösenden Dominik Klein, der zum 30:19 einnetzte. Die THW-Fans kamen aus dem Jubeln gar nicht mehr heraus, zumal auch die drei Treffer von Ex-"Zebra" Szilagyi gefeiert wurden. Doch die Siedetemperatur war noch lange nicht erreicht. Denn in der 52. Spielminute kehrte Daniel Narcisse zurück, und wenig später bediente er mit einem genialen Anspiel Daniel Kubes, der vom Kreis zum 34:23 traf und gar noch einen Treffer zum 36:24 nachlegte. Auch Milutin Dragicevic, der zuvor zwei Siebenmeter erkämpfte, trug sich nach Anspiel Narcisse' noch in die Torschützenliste ein, und als der Franzose nach Doppelpass mit Dominik Klein per Kempa den glanzvollen Schlusspunkt zum 38:26 selbst setzte, hatten sich die Zuschauer bereits von ihren Sitzen erhoben und "Oh, wie ist das schön" skandiert. "Sowas hat man lange nicht gesehen"? Fürwahr, bei einem Derby sogar noch nie. So bleibt nach einem berauschenden Handball-Nachmittag nur ein klitzekleiner Wermutstropfen übrig: Im parallel stattgefundenen zweiten Spitzenspiel siegte der HSV Hamburg deutlich mit 35:23 (19:9) bei den Füchsen Berlin und verteidigte damit seinen Vier-Punkte-Vorsprung. Stimmen zum Spiel: SG-Trainer Ljubomir Vranjes: Herzlichen Glückwunsch für die zwei Punkte! Wir haben nicht optimal angefangen, die Kieler haben viele einfache Gegenstoßtore bekommen. Wir haben viele Fehler im Angriff gemacht. Aber wir haben uns zurück gekämpft, aber das ist nur die halbe Wahrheit: Alfred hatte auch ein paar Spieler gewechselt. Die zweite Halbzeit begann fast wie die erste. Wir hatten in der Pause über einige Sachen gesprochen, aber leider konnten wir das heute nicht umsetzen. Warum das so war, muss man analysieren. Kiel ist eine Top-Mannschaft. Wir sind noch nicht da und haben noch ein paar Schritte bis zu diesem Niveau vor uns. Dass wir in Kiel gewinnen, dafür muss alles optimal klappen bei neun Spielern und zwei Torhütern. Das war nicht der Fall heute. Ich versuche, Alfred und Kiel nächstes Mal mehr zu ärgern. THW-Trainer Alfred Gislason: Es war für mich eine sehr schwere erste Halbzeit. Flensburg hatte die letzten Wochen mit vielen Verletzungen zu kämpfen gehabt, aber die Mannschaft ist eng zusammengerückt und hat super gespielt. Natürlich hab ich mich geärgert, dass wir einen Sechs-Tore-Vorsprung Mitte der ersten Halbzeit auf zwei runterschmelzen ließen bis zur Halbzeit. Da war das Spiel dann komplett offen, weil auch die Flensburger aus dem Rückraum und über den Kreis getroffen hatten. Wir hingegen hatten einige Probleme ab der 15. Minute auch in der Abwehr. Hinzu kam, dass die Deckung der Flensburger besser stand und wir einige Fehler machten, die zu Gegenstoßtoren führten. Daher hab ich zur Halbzeit beschlossen, dass wir auf unsere 3:2:1-Deckung wechseln. Wir haben sehr schnell Bälle abgefangen, Flensburg zu schnellen und teilweise ungünstigen Würfen gezwungen. Das hat das Spiel entschieden und uns ein bisschen den Druck genommen. Es war ein schönes Spiel von uns, wir haben auch gut gespielt gegen eine sehr gute Mannschaft. Es war auch sehr erfreulich, dass Daniel Narcisse wieder dabei ist und dass alle gut gespielt haben. Mit den zwei Punkten bin ich sehr zufrieden und ich wünsche den Flensburgern alles Gute für alle noch zu spielenden Ligaspiele. Wir sehen uns ja vielleicht noch mal in dieser Saison. [zur Lage an der Tabellenspitze:] Ich hatte schon erwartet, dass Berlin gegen Hamburg verliert und mir keine großen Hoffnungen gemacht. Die ganze Euphorie in Berlin ist momentan ein bisschen weg. Sicherlich müssen die Hamburger bei diesem Ergebnis auch sehr gut gespielt haben. Aber sonst ist es so, wie ich es immer wieder sage: Wir können nur an uns denken und darauf gucken, dass wir unser Spiel weiter entwickeln, gut spielen und gewinnen. Wenn Hamburg nirgendwo stolpert, sind sie auch verdient Deutscher Meister. Quelle: http://www.toyota-handball-bundesliga.de

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